Queerfeindliche Diskriminierungserfahrungen als Risikofaktor anerkennen

Anerkennung von queerfeindlicher Diskriminierung

Ergänzung von Ankerbeispielen
(14–18 Jahre) im Kinderschutzbogen

Zur psychischen Erscheinung

Zu dem Aspekt: Der queere junge Mensch leidet unter einem massiven Identitätskonflikt angesichts der Erwartungen der Bezugspersonen und den eigenen Wünschen und Bedürfnissen.

Bewertungskriterien

negativ:

  • Ausgeprägte Diskrepanz zwischen den Erwartungen und Anforderungen im Bezugssystem und eigenen Vorstellungen und Möglichkeiten, zum Beispiel bezogen auf die schulische, berufliche, kulturelle, sexuelle und geschlechtliche Identität, woraus massives Leiden erwächst.
  • Vorhandene Konflikte können gar nicht oder nur teilweise gelöst werden und Situationen eskalieren.

positiv:

  • Vorhandene Diskrepanzen können durch Unterstützung Dritter befriedet werden.
  • Diskrepanzen bezogen auf beispielsweise Freundeskreis, Freizeit, Beruf, Schule, sexuelle und geschlechtliche Identität, Verheiratung und Ähnliches können durch diskriminierungssensible Konfliktbewältigungskompetenz in der Familie überwunden werden.

Zur Interaktion zwischen jungem Menschen und Bezugsperson

Es gibt Wertschätzung/Interesse an den Gedanken, Gefühlen und Erlebnissen des jungen Menschen – gerade auch, was die Entwicklung der Geschlechtsidentität und der sexuellen Orientierung betrifft.

Bewertungskriterien

negativ:

  • Bezugsperson (Bp) spricht durchgängig abwertend über den jungen Menschen und kann auch nach Aufforderung nichts Anerkennendes sagen.
  • Es werden längere Kommunikationsabbrüche geschildert (z. B. „Dann reden wir mehrere Tage nicht mehr miteinander.“).
  • Entpersonalisierung: Der junge Mensch wird nicht mehr mit Namen angesprochen.
  • Bp verwendet konstant den Deadname. Es werden falsche Pronomen verwendet.
  • Gefühle und Haltung des jungen Menschen werden als falsch abgewertet und nicht ernst genommen.
  • Bp wendet psychische und/oder körperliche Gewalt an, wenn sich der junge Mensch nicht heteronormativ verhält oder fordert ihn auf, das Elternhaus zu verlassen, zum Beispiel beim Coming-out.
  • Bp verweigert den Zugang zu Verhütungsmitteln und sexueller Bildung.
  • Fehlende Begleitung der Bp bei Transitionsprozessen oder dem Coming-out. Dies kann unter anderem existenzielle Krisen wie Sucht, Depression, Schuldistanz oder Suizidalität auslösen oder verschärft diese Tendenzen.

positiv:

  • Bezugsperson (Bp) spricht auch unterstützend mit dem jungen Menschen und anerkennend über ihn.
  • Bei Gesprächsterminen hört die Bp dem jungen Menschen zu und bemüht sich, seine Position zu verstehen.
  • Bp hat Kenntnis über die Interessen, Fähigkeiten, Hobbys, Schulangelegenheiten und Ähnliches.
  • Bp handelt mit dem jungen Menschen stets aus, was seine respektierte Privatsphäre ist.
  • Die Begleitung bei dem Transitionsprozess / Coming-out erfolgt sensibel und wertschätzend. Fachliche Begleitung wird auf Wunsch angefragt.
  • Bp respektiert jungen Menschen in den Vorstellungen zu seinem queeren Lebensweg und unterstützt bei Bedarf.

Zu dem Aspekt:

Emotionale Unterstützung bei Belastung oder Problemen und das Recht auf Identitätsbildung und freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit

Bewertungskriterien

Negativ

  • Bezugsperson (BP) ignoriert/verweigert emotionale Unterstützung, zum Beispiel in Form von „Lass mich in Ruhe, ich habe selbst genug Probleme“ und Ähnlichem.
  • Bp verschärft Probleme des queeren jungen Menschen durch Schuldzuweisungen. Beispiele: „Du bist ganz allein selbst schuld“ oder „Du bist schuld, dass unsere Familie kaputt geht“.
  • Bp versteht und akzeptiert alters- und entwicklungsentsprechende Bedürfnisse nach Selbstfindung, Eigenständigkeit, Anerkennung und Integration in die Welt der Gleichaltrigen nicht. Beispiele: „Du musst dich nicht so anziehen / dir die Nägel lackieren“ oder „Jungs tragen keine Röcke / Mädchen verhalten sich nicht so burschikos“.
  • Bagatellisierung bei auftretenden Problemen und Herausforderungen. Beispiel: „Stell dich doch nicht so an, du übertreibst.“

Positiv

  • Bezugsperson (Bp) kann anhand von Beispielen ein bestehendes Vertrauensverhältnis zwischen dem jungen Menschen und sich selbst beschreiben.
  • Bp versteht und akzeptiert alters- und entwicklungsentsprechende Bedürfnisse nach Selbstfindung, Eigenständigkeit, Anerkennung und Integration in die Lebenswelt der Gleichaltrigen und kann auf auftretende Probleme eingehen.
  • Bp bietet Unterstützung, Verbundenheit, Vertrautheit, Zuverlässigkeit, Kontinuität und Sicherheit an.